Chronik des Chores

Zum 150-jährigen Jubiläum des katholischen Kirchenchors St. Vitus in Langenbrücken

Der Langenbrücker St. Vitus-Chor kann in diesem Jahr das stolze Jubiläum seines 150-jährigen Bestehens feiern. Doch stellt das angenommene Gründungsjahr 1862 keinen völligen Neubeginn dar, sondern nur den Abschluss einer langen Entwicklung. Bereits vor 1700 bestand nämlich schon eine Art von Schola aus Sängerinnen und Sängern, die unter Leitung des Schulmeisters bei festlichen Gottesdiensten, der Wallfahrt nach Waghäusel und der Fronleichnamsprozession auftraten und dafür zum Dank bewirtet wurden. Auch erhielten die Mitwirkenden bei Jahrtagsmessen eine kleine Vergütung. 1739 erwarb Pfarrer Becker mit Hilfe einer Stiftung zur Begleitung des Gemeindegesangs und der Schola eine Orgel des Würzburger Meisters Bartholomäus Brunner. Als diese später ihren Dienst versagte, gelang es Pfarrer Heil im Jahre 1824, die wertvolle heutige Orgel zu ersteigern, die Meister Johann Ignaz Seuffert, ebenfalls aus Würzburg, 1754/55 für die St. Martinskirche in Ettlingen angefertigt hatte.
Weiteren Auftrieb erhielt die hiesige Kirchenmusik durch eine gleichzeitige Stiftung des Sonnenwirts Christian Heiligenthal und seines Sohnes. Von den jährlichen Zinsen von rund 50 Gulden sollte der Oberlehrer die Hälfte erhalten, wenn er ein guter Musiker, Organist oder Sänger war. Offenbar gelang es dadurch, tüchtige Musiker für die Lehrerstelle in Langenbrücken anzuziehen, die den Ehrgeiz und die Fähigkeit besaßen, neue Sängerinnen und Sänger zu gewinnen und sie so zu schulen, dass sie auch anspruchsvollen Werken gewachsen waren. 1862 war es dann so weit, dass am Fest des hl. Josef eine vierstimmige Messe aufgeführt werden konnte. Aus einer kleinen Schola war ein größerer gemischter Kirchenchor entstanden, der 16 bis 20 Sängerinnen und Sänger umfasste. Chorleiter war Hauptlehrer W. Schuler, der auch die Partituren zu dieser Messe geschrieben hatte.

1868 wurde durch ein Gesetz der Organisten- und Dirigentendienst vom Schuldienst getrennt. Dennoch übernahmen kirchlich gesinnte Lehrer weiterhin diese Ämter, jetzt allerdings gegen entsprechende Vergütung. Große Verdienste erwarb sich dabei, Hauptlehrer Georg Lampert, der von 1870 bis 1890 als Organist, Chorleiter und Komponist tätig war und dafür 1891 durch einen Dankgottesdienst sowie ein Dankschreiben und Geschenk von Erzbischof Christian Roos geehrt wurde. Allerdings hatten er und sein Nachfolger, Hauptlehrer Georg Weitzel (1890–1909), erhebliche Mühe, eine Reform der katholischen Kirchenmusik zu verwirklichen. Insbesondere stieß die kirchliche Vorschrift, dass beim Hochamt statt des Volksgesangs mehrstimmige lateinische Messen gesungen werden sollten, auf hartnäckigen Widerstand. Erst unter dem von 1909 bis 1924 tätigen Oberlehrer Josef Baudendistel konnte sich die Reform schließlich durchsetzen.
Unter diesem Dirigenten begann der Kirchenchor auch neben seiner Aufgabe im Gottesdienst mit den Aktivitäten eines weltlichen Vereins. Dazu gehörten gemeinsame Ausflüge und Konzerte mit dem ebenfalls von Baudendistel geleiteten MGV „Eintracht“ sowie eigene Theateraufführungen und Winterfeiern. Diese Entwicklung setzte sich auch fort, als Hauptlehrer Oskar Steltz 1924 Chorleitung und Organistendienst übernahm.
1933 schließlich wurde der Kirchenchor in einen Cäcilienverein umgewandelt, dem auch passive Mitglieder angehörten, und schloss sich dem entsprechenden Diözesanverband an. Die Umwandlung war auch aus politischen Gründen erforderlich geworden, weil der Chor dadurch den Schutz des Reichskonkordats genoss und vor der Willkür örtlicher nationalsozialistischer Organe einigermaßen sicher war.
So konnten auch die 1930 eingeführten kirchenmusikalischen Feierstunden, die abwechselnd in verschiedenen Orten stattfanden, noch bis 1935 fortgeführt werden. Schwierig wurde es allerdings für die Kirchenmusik in der Folgezeit, als das NS-Regime den Lehrern ihre Nebentätigkeit als Organisten und Dirigenten nicht länger gestattete und Hauptlehrer Steltz daher 1939 beide Ämter aufgeben musste. In dieser Notlage war es ein Segen, dass fähige und mutige Frauen in die Bresche sprangen und in der Kriegs- und Nachkriegszeit diese Aufgeben übernahmen, Emma Weickgenannt aus Mingolsheim als Chorleiterin (1939–1950) und Ida Molitor und Maria Dickgießer an der Orgel.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs trat der Kirchenchor seit 1946 wieder bei musikalischen Feierstunden und Benefizkonzerten auf und erntete dabei hohes Lob aus berufenem Munde. Ebenso bereicherte er durch alljährliche Theaterstücke in den Nachkriegsjahren das kulturelle Leben der Gemeinde. In der Chorleitung wechselten sich danach wiederum Hauptlehrer Oskar Steltz (1950–1962) und Emma Willhauck-Weickgenannt (1962–1966) ab, denen von 1967 bis 1977 Hauptlehrer Werner Planck aus Rot folgte. Unter den langjährigen Dirigenten Johann J. Beichel (1977–1998) und Torsten Wirth (2000-2007) wie auch dem jungen jetzigen Chorleiter Gert Bachmaier (seit 2010), konnte der St. Vitus-Chor seine erfolgreiche Arbeit sogar noch quantitativ und qualitativ steigern, zumal ihm seit 1973 das neu erbaute Pfarrheim für Proben und kleinere Veranstaltungen zur Verfügung steht. Nicht nur mit anspruchsvollen Messen, sondern auch durch viel beachtete geistliche Konzerte beweist der Chor seit Jahrzehnten ein gleich bleibend hohes Niveau.
Bei dem glanzvollen 125-jährigen Jubiläum im Oktober 1987 mit Festakt, Festgottesdienst und einem Freundschaftssingen, wurde der St. Vitus-Chor vom Allgemeinen Cäcilien-Verband mit der Palestrina-Medaille und von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände mit der Zelter-Plakette ausgezeichnet. Die Feier des 150-jährigen Jubiläums mit einem Ehrenabend und Festgottesdienst im Juni sowie einem Festkonzert im Oktober dieses Jahres, wird für einen weiteren Höhepunkt in der Vereinsgeschichte sorgen.

Diese Chronik des St. Vitus-Chores wurde erstellt von Dr. Rudolf Schmich, bekannt durch sachkundige Orts- und Kirchenführungen, sowie als Mitverfasser der Bad Schönborner Ortsgeschichte.